Die Frau des Blinden
Es waren einmal ein Edelmann und seine Edelfrau. Eines Tages erblindete
der Edelmann, seine Frau aber fing mit einem Amtsschreiber eine Liebschaft
an. Der Edelmann dachte, ob seine Frau nicht mit irgendwem hurte und ließ
sie keinen Schritt allein gehn. Was tun? Eines Tages ging sie mit ihrem
Mann in den Garten und auch der Amtsschreiber fand sich ein. Sie bekam
Lust, es mit ihm zu tun. Der blinde Mann saß also beim Apfelbaum
und seine Frau verrichtete ihr Werk; sie gab sich dem Amtsschreiber hin.
Ihr Nachbar schaute schaute aus dem Fenster seines Hauses in den Garten
und sah, was dort vorging. Der Amtsschreiber lag auf der Edelfrau. Da rief
er zu seinem Weib:
"Sieh dir das an, mein Herzblatt, was sich da am Apfelbaum abspielt.
Wenn der Herrgott dem Blinden jetzt wieder die Augen öffnet und er
das sieht, was soll dann werden? Er schlägt sie doch tot!" - "Ach,
mein lieber Mann, der Herrgott schenkt uns Frauen immer eine Ausflucht!"
- "Wo soll hier eine Ausflucht herkommen?" - "Das wirst du dann schon sehen."
In diesen Moment ließ der Herrgott den blinden Edelmann wieder
sehend werden und der sah den Amtsschreiber auf seiner Edelfrau liegen
und schrie:
"Ach du Dirne! Was machst du da, verfluchte Hure!"
Darauf die Edelfrau:
"Ach, wie ich mich freue mein lieber Mann! Ich hatte letzte Nacht einen
Traum: Ich solle mit dem Amtsschreiber sündigen, dann werde der Herrgott
meinem Mann die Augen öffnen. Und wahrlich: Für meine Bemühungen
hat Gott dir das Augenlicht zurückgegeben."
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